1 Fachkräftemangel und Wissensmanagement
Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen für Fertigungsunternehmen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Firmen hatte Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, was auf demografischen Wandel, globalen Wettbewerb, mangelnde Attraktivität bestimmter Ausbildungen und rasche Technologieschübe zurückzuführen ist. Dies betrifft nicht nur die Besetzung neuer Positionen, sondern auch den Erhalt von kritischem Wissen, wenn erfahrene Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Jüngere Generationen haben zudem andere Erwartungen an Arbeitsumgebungen, bevorzugen Flexibilität, moderne Tools und Entwicklungsmöglichkeiten. Unternehmen, die diese Bedürfnisse nicht erfüllen, riskieren, Know-how zu verlieren und den Anschluss an den Arbeitsmarkt zu verpassen. Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, Personal zu finden, sondern auch darin, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die Talente anzieht und bindet. Die Einführung moderner Technologien wie KI, AR und VR kann dabei helfen, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten und Mitarbeiter zu unterstützen, wodurch das Unternehmen für technikaffine Fachkräfte attraktiver wird. Dadurch wird nicht nur Wissen bewahrt, sondern auch effizient an die nächste Generation weitergegeben, was die Loyalität der Belegschaft stärkt.
2 Lieferketten-Transparenz und Resilienz
Die Verwaltung von Lieferketten stellt Hersteller vor erhebliche Probleme. Kundenwünsche ändern sich ständig, und Lieferverzögerungen von Zulieferern können die Produktion stoppen. Die Abhängigkeit von komplexen globalen Lieferketten und die mangelnde Transparenz über deren Zustand und Risiken sind kritische Schwachstellen. Unternehmen müssen ihre Lieferketten nicht nur aufrechterhalten, sondern auch die Auswirkungen der Lieferantenwahl auf das Verbrauchervertrauen berücksichtigen.
Die Notwendigkeit, von einer reaktiven Problembehebung zu einem proaktiven Management überzugehen, ist evident. Dies erfordert eine umfassende Datenerfassung und -analyse über die gesamte Lieferkette hinweg, um Engpässe frühzeitig zu erkennen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen zu erhöhen. Die Integration von Daten über verschiedene Lieferkettenpartner hinweg ist dabei ein Schlüsselfaktor, um eine einheitliche und vertrauenswürdige Informationsbasis zu schaffen.
3 Effizienzsteigerung und Kostenreduktion in der Produktion
In einem Hochlohnland wie Deutschland ist die kontinuierliche Steigerung der Produktionseffizienz und die Senkung der Betriebskosten entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit. Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) haben Schwierigkeiten, mit den Effizienzgewinnen ihrer größeren Wettbewerber Schritt zu halten, die in KI-gestützte Automatisierung investieren. Die Automatisierung ist fest verankert und darf nicht vernachlässigt werden.
Die konsequente Vernetzung von Produktionsdaten und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglichen eine automatisierte Optimierung von Prozessen. Dies umfasst die schnellere Entwicklung und Fertigung von Produkten durch datengestützte Ramp-up-Prozesse sowie die erhebliche Reduzierung von Ausfallzeiten und Ressourceneinsparungen durch vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance). Die Nutzung von Echtzeitdaten erlaubt eine dynamische Anpassung der Produktion an sich ändernde Anforderungen, verbessert Qualitätskontrollen und macht Wartungs- und Schulungsprozesse effizienter. Die Digitalisierung kann somit dazu beitragen, die hohen Lohn- und Produktionskosten in Deutschland zu kompensieren und die Wertschöpfung bei geringerem Ressourceneinsatz zu steigern.
4 Flexibilisierte Massenproduktion und Individualisierung
Die Nachfrage nach maßgeschneiderten Produkten steigt, doch die industrielle Fertigung ist oft auf kosteneffiziente Massenproduktion ausgelegt, was Kleinserien und Einzelprodukte sehr teuer macht. Hersteller müssen Wege finden, individuelle Produkte industriell und kostengünstig zu fertigen, um den sich ändernden Kundenwünschen gerecht zu werden.
Ein zentrales Problem in Deutschland ist, dass viele "Industrie 4.0"-Lösungen eher inkrementelle Verbesserungen (Industrie 3.5) darstellen, die hauptsächlich die internen Margen der Hersteller verbessern, anstatt disruptive Innovationen zu schaffen, die für den Kunden sichtbar sind und neue Umsatzströme generieren. Die wahre Herausforderung liegt darin, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die eine Massenanpassung von Produkten ermöglichen und direkt mit Endkunden interagieren, während die Kosten auf dem Niveau der Großserienfertigung bleiben. Dies erfordert eine tiefgreifende Transformation der Fertigungsprozesse und der Geschäftsmodelle selbst.
5 Cybersicherheit und Datenstandardisierung
Mit der zunehmenden Vernetzung von Bestell-, Fertigungs- und Lieferprozessen in der Industrie 4.0 gewinnt die Cybersicherheit zentrale Bedeutung. Die Digitalisierung erhöht die Angriffsflächen, und die Einhaltung komplexer und sich ständig entwickelnder Cybersicherheitsvorschriften wird zur Herausforderung. Neue EU-Richtlinien wie NIS2 und der Cyber Resilience Act (CRA) erweitern die Anzahl der betroffenen Unternehmen erheblich und legen strengere Anforderungen an Risikomanagement, Meldepflichten und Produktsicherheit fest.
Die mangelnde Standardisierung und Interoperabilität von Daten und Systemen erschwert nicht nur die nahtlose Integration digitaler Lösungen, sondern birgt auch erhebliche Sicherheitsrisiken. Die Notwendigkeit, Daten sicher und konsistent über Unternehmensgrenzen hinweg auszutauschen, erfordert einheitliche Formate und Protokolle. Ohne diese Standards entstehen Insellösungen, die langfristig nicht tragfähig sind und die Einhaltung von Compliance-Vorgaben erschweren. Die Bundesregierung hat zwar eine Blockchain-Strategie zur Förderung digitaler Souveränität und Sicherheit entwickelt, doch die praktische Umsetzung und Akzeptanz in der Breite der Industrie bleibt eine Aufgabe.